Historisches zur Geschichte des Turnwesens
Aus einem Bericht der Zentraluntersuchungskommission des Deutschen Bundes (um 1830):
„Das Turnwesen kann das Gepräge der Zeit und der Verhältnisse, in der und unter denen es entstanden ist, nicht verleugnen. So wie damals in Preußen Erhebung gegen Frankreichs Druck das Ziel aller
Bestrebungen war, so verband auch Jahn mit dem Turnen denselben Zweck. In dieser Absicht suchte und fand er in den Turnübungen Gelegenheit, durch Gespräch und Gesang auf das Gemüth der Jugend zu
wirken, Vaterlandsliebe, Anhänglichkeit an deutsche Sitte, Hass gegen das fremde Joch und alles Ausländische in ihr zu wecken und sie in dem Gedanken zu entflammen, der Rettung des Vaterlandes
ihre ganze Kraft zu widmen ....
Gegen Ende des Jahres 1809 kam Jahn nach mancher Wanderung und ergriffen von dem Gedanken, zur Wiedererhebung des gebeugten Vaterlandes zu wirken, nach Berlin, und die Stimmung, die er hier fand,
ließ ihn hoffen, daß für diesen Zweck hier noch etwas zu wirken sei. Er gab anfänglich Privat-Unterricht, trat dann als Lehrer an der Schule zum grauen Kloster und in der Erziehungsanstalt des
Dr. Plamann ein und fing im Frühjahr 1810 mit einigen Schülern die ersten Übungen an. Jahn wollte das Turnen zu einem öffentlichen Vereinigungspunkt der Jugend machen und wünschte darum gleich
anfänglich die Mitwirkung des Staates, die ihm damals aber noch nicht zugesichert werden konnte. Er betrieb also die Sache als ein Privat-Unternehmen."
Die Zentraluntersuchungskommission wurde zur Überwachung der Hochschulen und der Presse im Rahmen der Karlsbader Beschlüsse gegründet. Diese Beschlüsse waren Ergebnis einer 1819 von Metternich, anlässlich der Ermordung des Schriftstellers Kotzebue, nach Karlsbad einberufenen Ministerkonferenz des Deutschen Bundes. Ziel war die Unterdrückung liberaler und nationaler Bestrebungen. Träger dieser liberalen Bewegung waren die Burschenschaften (Höhepunkt: Wartburgfest 1818), deren Idol der heute als Turnvater bekannte Friedrich Ludwig Jahn war (1778-1852).
In den 1840er Jahren griff diese Turnbewegung auch auf unsere Heimat über. Die ersten Vereine in Wiesbaden und Umgebung waren die Turnvereine Hochheim (1845), Biebrich, Eltville, Erbenheim, Kastel, Wiesbaden und Winkel (alle 1846), Rüdesheim (1847), Dotzheim, Niederwalluf, Oestrich und Schierstein (alle 1848) sowie Geisenheim (1858).
Nachdem das Turnwesen von 1850 bis 1860 durch eine Turnsperre unterdrückt worden war, schlossen sich die Vereine 1862 zum noch heute bestehenden Turngau Süd-Nassau zusammen.
Die Unterdrückung der Vereine resultierte aus deren Unterstützung der deutschen Einheitsbewegung, weswegen sie auch als politische Gruppen angesehen und behandelt wurden.
Um ein Auseinanderfallen der Turnbewegung zu verhindern, wurde unter anderem seit 1856 die Deutsche Turnerzeitung herausgegeben. Um einmal eine Vorstellung über die Größe des Turngau zu bekommen, hier zwei Zahlen: der Mittelrheinische Turnverband (Vorläufer des Turngau Süd-Nassau) hatte 1861: 1426 Mitglieder, die sich auf 21 Vereine verteilten. Der erste Turntag wurde am 12.07.1868 in Wiesbaden abgehalten. Jährlich fand ein Bezirksturnen statt. Da noch kein Preisturnen durchgeführt wurde, beschränkte man sich hauptsächlich auf das Schauturnen. In den folgenden Jahren bekam die deutsche Turnbewegung einen immer größeren Zulauf. Durch eine rege Beteiligung der Vereine an öffentlichen Veranstaltungen gewannen diese zunehmend an Ansehen.
Am 28.09.1883 nahmen alle Vereine des Turngaus an der Einweihung des Nationaldenkmals auf dem Niederwald teil.